Ausbreitung von Multiresistenten Erregern (MRE)

Gruppe LINKE & PIRATEN

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gem. § 9 der Geschäftsordnung

Sachlage:   Mehrfach Resistente Erreger (MRE), gegen die Antibiotika nicht mehr wirken, sind weltweit auf dem Vormarsch. Allgemein bekannt ist der Erreger MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus). Zu den Keimen mit dem häufigsten Vorkommen zählen außerdem die den Darm besiedelnden:

·         VRE(Vancomycin-resistente Enterokokken)

·         ESBL(Beta-Lactamase produzierende Enterobakterien)

·         Clostridium difficile (Hospitalkeim

ESBL beispielsweise produzieren Enzyme, die sie gegen die meisten Antibiotika-Klassen resistent machen. Neben MRSA lösen ESBL die schwersten Fälle von bakteriellen Infektionen in Krankenhäusern aus. Bisherige Einschätzungen gingen davon aus, dass in Deutschland jährlich zwischen 7.500 bis zu 15.000 Menschen an Infektionen mit mehrfachresistenten Erregern (MRE) sterben.  

Recherchen von ZEIT ONLINE, DIE ZEIT, der Funke Mediengruppe sowie eine aktuelle Langzeituntersuchung vom Recherchebüro CORRECT!V  offenbaren: „dass Ärzte bei Kliniktoten jedes Jahr mehr als 30.000 Mal die Diagnose oder Behandlung eines der drei meistverbreiteten multiresistenten Keime wie MRSA, ESBL oder VRE abrechnen.“ Dies geht aus einer Auswertung der Abrechnungsdaten aller deutschen Krankenhäuser aus dem Jahr 2014 hervor.

Fachleute von Krankenkassen gingen davon aus, dass selbst diese Zahl viel zu niedrig sei, da nicht jede Infektion für die Abrechnung relevant sei. Vermutlich könnten die Kassen nur ein Drittel der tatsächlichen Infektionen erkennen. Walter Popp, der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für

Krankenhaushygiene, spricht sogar von "mindestens einer Million Infektionen und mehr als 30.000 bis 40.000 Todesfällen". Gleichzeitig warnt die WHO vor einer  ‘post-antibiotic era‘, einer Post-

 

 

Antibiotika-Ära, in welcher gewöhnliche Infektionen und geringe Verletzungen wieder tödlich enden können.

VRE wurde im Jahr 2014 von deutschen Krankenhäusern mehr als 33.000 Mal abgerechnet. Dazu zählen sowohl Besiedelungen als auch Infektionen. Seit 2010 ist die Zahl der VRE-Fälle um 40 Prozent gestiegen.  Die Gruppe der ESBL-Keime rechneten die Krankenhäuser sogar fast 120.000 Mal ab. Innerhalb von vier Jahren weist das Vorkommen dieser Keim eine Steigerung von mehr als 50% auf.

Aus der Gruppe der drei häufigsten MRE müssen dem zuständigen Robert-Koch-Institut aber weiterhin nur die Daten zu MRSA offiziell gemeldet werden.

 

In der Region Hannover gab es im Jahr 2013 laut DRG-Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) 2.284 MRE-Fälle bei 242.124 Krankenhauspatienten.

 

Laut Tim Eckmanns vom RKI ist es unklar, warum die mehrfach resistenten Keime immer häufiger auftreten: "Eventuell gelangen diese Keime über die Nahrung in den menschlichen Körper". ESBL finden sich beispielsweise häufig auf Hühnchen in Supermärkten. Das Thema müsse auch von der Veterinärmedizin angegangen werden.

Der inflationäre Gebrauch von Antibiotika sowie der flächendeckende Einsatz in der Massentierhaltung ist die eine Seite. Die andere Seite ist die ständige Einsparung von Krankenhauspersonal und die daraus resultierende, mangelnde Umsetzung von Hygienestandards.

 

Laut BMG wären 20-30 % der im Rahmen einer medizinischen Behandlung zugezogenen Infektionen und Todesfälle mit einer konsequenten Durchführung der Hygienemaßnahmen vermeidbar.

 

Wie gehen Krankenhäuser mit multiresistenten Keimen und Hygiene um? Eine Undercover-Recherche des Zeit.de Journalisten Benedict Wermter in Europas größtem Universitätsklinikum der Charité in Berlin zeigt: auch renomierten Krankenhäusern kann man hierin kein Vertrauen schenken. Und freiwillig wird eine mangelnde Umsetzung von Hygienestandarts nicht eingestanden.

Aus der Gastroenterologie der Charité berichtet Benedict von überlastetem Pflegepersonal, das MRSA-infizierte Patienten nicht konsequent isoliert, häufig die Desinfektion der Hände unterlässt, keinen Mundschutz und keine Schutzkleidung trägt und damit selbst zur Übertragungsquelle wird.  

 

Vor diesem Hintergrund fragt die Gruppe LINKE & PIRATEN:

1. In der Region Hannover gab es im Jahr 2013 laut DRG-Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) 2.284 MRE-Fälle bei 242.124 Krankenhauspatienten. Wie viele davon ereigneten sich im KRH?

 

2. Wieviele Pflegekräfte beschäftigt das KRH insgesamt (in allen Häusern) und  wie hoch ist die durchschnittliche Anzahl von Patienten (in allen Häusern)? Auch eine „von-bis-Angabe“ wäre hier in Ordnung.

 

3. Das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus fordert von zahlreichen Patienten vor geplanten Operationen MRSA-Tests. Patienten, bei denen MRSA nachgewiesen wurde, dürfen nicht (oder nur in Notfällen) aufgenommen werden. Darüber hinaus werden sie mit einem speziellem Waschset für Zuhause ausgestattet.  Erst wenn die Keime nachweislich eingedämmt sind, wird die OP angesetzt. Dies ist einem Artikel der HAZ vom 4. Mai 2016 zu entnehmen. Das Clementinenhaus gibt darin auch die Zahl der 2014 mit MRSA-Keimen Patienten an, die aufgenommen werden mussten, weil es Notfälle waren. In der Bilanz hatte das Clementinenhaus 2014 nur eine meldepflichtige Infektion. Gibt es im KRH eine entsprechende Praxis, bei der vor Operationen ein Test von OP-Patienten eingefordert wird?

 

4. Unter welchen Voraussetzungen werden Patienten / Neuzugänge und Personal im Klinikum der Region Hannover auf VRE und ESBL getestet? Wird überhaupt auf diese Erreger getestet?

4.1. Wird das Vorkommen von Besiedelungsfällen und Infektionsfällen mit VRE und EBSL dokumentiert?

4.2. Wenn ja, wie wird dokumentiert? Bitte um differenzierte Aufschlüsselung, welche Angaben in die Dokumentation einfließen.

4.3. Werden dokumentierte Daten zu Besiedelungs- und Infektionsfällen zur Erfassung der Zahlen an das Robert Koch Institut weiter gegeben?

 

5. Wird die Einhaltung von gebotenen Hygienestandarts kontrolliert?

5.1. Wenn ja, wer kontrolliert wie oft und nach welchen Kriterien wird dies gemacht?

5.2. Findet in allen Häusern des Klinikum der Region Hannover eine solche Kontrolle statt?

 

6. Gibt es in den Häusern des KRH ein anonymes Fehlermeldesystem, in dem Mitarbeiter Probleme und Mißstände In Bezug auf MRE anzeigen können? Gemeint ist hier z.B. die Vernachlässigung des Tragens von vollständiger  Schutzkleidung, der konsequenten Isolation besiedelter / infizierter Patient_innen, das Screening von Risikopatienten und risikobehaftetem Kontaktpersonal.

6.1. Falls Nein, ist die Einrichtung eines solchen Fehlermeldesystems geplant?

6.2. Beabsichtigt die Regionsverwaltung, sich für die Einrichtung eines Fehlermeldesystems einzusetzen?

 

7. Führt das KRH eine Morbiditätsstatistik, um ein ungewöhnliches Ansteigen von Todesraten durch MRE-Infektionen bei KRH-Patienten schneller zu erfassen? Falls Ja, beinhaltet diese Statistik eine Aufschlüsselung nach Todesursachen? Und sind hierbei die Anzahl der Sterbefälle von Patienten mit einer MRE-Infektion benannt?