Geplante Müllverbrennungsanlage in Misburg

Enercity plant auf dem Gelände der Papenburg AG eine Müllverbrennungsanlage für Gewerbemüll in Misburg (vgl. HAZ vom 13.10.2022 „Enercity plant zweiten Müllofen für Hannover“). Eine solche Müllverbrennungsanlage hätte Auswirkungen auf die Klimabilanz in der Region Hannover. Vordergründig geht es um einen Teil der Ersatzmaßnahmen zum Ausgleich der Energieleistung des Kohlekraftwerks in Stöcken (Ersatzmaßnahme für Block 2). Angeblich sollen 55.000 Haushalte durch die MVA versorgt werden. Seit der Vorstellung des Projektes im Oktober im Bezirksrat Misburg, ist wenig über den weiteren Verlauf des Vorhabens bekannt. Für die Genehmigung der Müllverbrennungsanlage müsste eine vom Betreiber vorzulegende Stoffliste eingereicht werden. Diese ist genauso wenig bekannt, wie der Umstand, wieviel des verbrannten Mülls an den Standort in Hannover angefahren werden müsste.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Region Hannover als Träger öffentlicher Belange in das Genehmigungsverfahren der Müllverbrennungsanlage einzugreifen?

2. Welcher Abfall mit welchen Schlüsselnummern - die sog. Stoffliste - soll verbrannt werden?

3. Ist absehbar, wo der Müll herkommt?

4. Das Firmengelände der Papenburg AG Tochter Fa. Noris grenzt an dem Gelände der neuen MVA. Ist absehbar wieviel und welcher Müll der FA. Noris in der MVA verbrannt werden soll? Ist ausgeschlossen, dass es sich dabei auch um Giftmüll handeln könnte?

5. Sind die Emissionen, die durch den zusätzlichen Lkw Verkehr entstehen in der Klimabilanz berücksichtigt worden?

6. Für wie realistisch hält die Regionsverwaltung, dass die Energieleistung der Müllverbrennungsanlage das Kraftwerk in Stöcken ersetzen wird?

7. Dass Kohlekraftwerk in Stöcken emittiert derzeit 1,2 Millionen Tonnen CO2. Wie hoch wird die planerisch kalkulierte CO2 Belastung der MVA Misburg sein?

8. Wie hoch werden die Umweltbelastungen durch andere Schadstoffe (also nicht CO2) sein?

9. Das Kohlekraftwerk in Stöcken hat eine Spitzenleistung von 260 Megawatt. Wie hoch wird die Spitzenleistung der geplanten MVA Misburg sein?

10. Wurde dieser neue Treibhaus-Emittent in der vorliegenden Klimabilanz der Region Hannover berücksichtigt?

11. Werden von der Region Hannover Alternativen zur Müllverbrennung, zum Beispiel Wärmenutzung von Zementwerken und Rechenzentren geprüft?

12. Wie wäre der weitere Ablauf des Genehmigungsverfahrens und an welcher Stelle würde die Regionsversammlung informiert bzw. hätte Eingriffsmöglichkeiten?

13. Ist seitens der Regionsverwaltung beabsichtigt das Vorhaben MVA Misburg im Kuratorium Klimaschutzregion Hannover und dem Klimaweisen-Rat zu erörtern (vgl. 0122 (V) BDs).

14. Wie schätzt die Region Hannover die Zukunft der Energiegewinnung durch Müllverbrennung ein? Ist es nicht sinnvoller Müll zu recyceln, anstatt diesen zu verbrennen?

 

Begründung:

Bisher wurde in den zuständigen Fachausschüssen der Regionsversammlung die MVA in Misburg nicht erörtert. Dass Vorhaben MVA Misburg trifft jedoch bereits auf den Widerstand örtlicher Bürgerinitiativen (vgl. HAZ vom 9.3.2023 „Ist eine Mehrheit gegen den Müllofen?). Neben den umweltrechtlichen Bedenken, sieht die Linksfraktion auch die unternehmerische Ausgangslage des Projektes kritisch. Auf dem Gelände des Privatunternehmens Papenburg AG soll mit finanziellen Mitteln der Stadtwerke Hannover AG (Landeshauptstadt Hannover 51 Prozent Mehrheitsaktionär) eine MVA entstehen, auf der ggf. überwiegend der gewerbliche bzw. industrielle Abfall eines Tochterunternehmens der Papenburg AG (Fa. Noris) verbrannt werden soll.

Laut den eigenen Angaben der FA. Noris wird von dem Unternehmen auch Sonderabfall (im Volksmund als "Giftmüll" bekannt) angenommen? Die Linksfraktion kann nicht erkennen wie ausgeschlossen werden soll, dass Sonderabfälle der Fa. Noris, deren Wiederaufarbeitung von der Firma nicht vorgesehen ist oder sich aus deren wirtschaftlicher Perspektive nicht zur Wiederaufarbeitung anbietet, als Sonderabfall in die geplante MVA gelangen wird.

Auch, dass die Region Hannover wirtschaftlicher Drehpunkt für externen Mülltourismus wird, sieht unsere Fraktion kritisch. Denn der Betriebsleiter der MVA Lahe hat presseöffentlich erklärt, dass sämtlicher Restmüll, der nicht verwertet werden kann, derzeit in der MVA Lahe verbrannt wird. Die zweite MVA in Misburg würde somit ausschließlich Müll verbrennen, der außerhalb der Region Hannover entsteht und mittels Lkw-Verkehr in Hannover „angeliefert“ werden müsste. Damit verbunden wäre neben den zusätzlichen Schadstoffemissionen aus der MVA, ein massiver zusätzlicher Schadstoffausstoß allein durch die Müllfahrzeuge, die den Müll anliefern.

Ferner unterstützt die Linksfraktion den Standpunkt zahlreicher Naturschutzverbände. In einem gemeinsamen Positionspapier haben Nabu, BUND und DHU darauf verwiesen, dass Müllverbrennung keineswegs klimaneutral sei. Laut dem Umweltverbänden entstehen durch Müllverbrennung jährlich deutschlandweit 24 Milliarden Tonnen CO2-Belastungen. Ferner zeige sich, dass Kommunen mit Müllverbrennungsanlagen eine deutlich höhere Pro-Kopf-Restmüllmenge aufweisen (190 Kilogramm gegenüber 140 Kilogramm in Kommunen ohne Müllverbrennung).

Die Linksfraktion verweist darauf, dass laut der Energie- und Treibhausgasbilanz für die Region Hannover 2020 (Anlage zu 0730 (V) IDs), der Anteil des Stromverbrauchs der in der Region durch regenerative Energien gedeckt wird, mit 20 Prozent im Vergleich zu dem deutschlandweiten Vergleichswert von 52 %, äußert gering ist (vgl. Seite 9 der Treibhausbilanz). Der Ersatz von Kohlekraftwerken durch MVAs ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Im Jahr 2020 wurden durch MVAs nur rund 3 Prozent des Stromverbrauchs in Hannover gedeckt. Die Energiegewinnung aus Müllverbrennungsanlagen wird zudem immer weiter zurückgehen, weil immer mehr Abfall recycelt oder auch in mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen weiterverarbeitet wird, d.h. auch aus energetischen Gründen ist das Setzen auf Müllverbrennungsanlagen zur Energiegewinnung auf längere Zeit nicht sinnvoll.