Hartz IV-Sanktionen

Anfrage gemäß § 10 der Geschäftsordnung

in den Ausschuss für Soziales, Wohnungswesen und Gesundheit am 26. November 2019

Das Bundesverfassungsgericht hat bei den Hartz-IV-Sanktionen den Feuerlöscher gespielt und staatliche Eingriffe in das Existenzminimum etwas abgefedert. Voll- und 60-Prozent-Sanktionierungen sind laut BVG-Urteil verfassungswidrig.

Vor dem Hintergrund des BVG-Urteils sind der Linksfraktion auch andere fragwürdige Praktiken des Jobcenters Region Hannover zu Ohren gekommen. Immer wieder kommt es vor, dass Betroffene sanktioniert werden, wenn sie am ersten Tag nach Ende einer Krankschreibung resp. Arbeitsunfähigkeit nicht sofort einer „Einladung" oder besser Vorladung Folge leisten. Diese Sanktionierung ist nicht erforderlich, weil es sich nach § 309, Absatz 3, Satz 3, SGB III um eine Kann-Bestimmung handelt. Dort heißt es: „Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt." Und laut § 59, SGB II: „Die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309, Absatz 3 des Dritten Buches, (…) sind entsprechend anzuwenden." Es ginge also auch anders.

Vor diesem Hintergrund fragt die Linksfraktion die Verwaltung:

1. In wie vielen Fällen wurden Betroffene in den vergangenen drei Jahren bis heute sanktioniert, weil sie am ersten Tag nach einer Krankschreibung / Arbeitsunfähigkeit nicht sofort zu einer Vorladung erschienen sind?

2. Beabsichtigt das Jobcenter Region Hannover von dieser Praxis Abstand zu nehmen?

Beklagenswert ist auch die mehrfach vorgekommene Praxis, Schwerst- und Todkranke trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Zeitraum trotzdem ins Jobcenter vorzuladen, „um über ihre berufliche Situation zu sprechen." Aktenkundig sind eine Frau mit Gehirntumor und ein Mann mit Speise- und Luftröhrenkrebs im Endstadium. Beide sind inzwischen verstorben.

Angesichts dieser menschenverachtenden Praxis fragt die Linksfraktion die Verwaltung:

3. Wie rechtfertigt die Leitung des Jobcenters Region Hannover die Praxis, Schwerst- und Todkranke trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und teilweise zusätzlich auch trotz gültiger ärztlicher Atteste ins Jobcenter vorzuladen, um „über ihre berufliche Situation zu sprechen"?

4. Bei wie vielen schwerstkranken Hartz-IV-Leistungsbezieher/innen wurde dieses Vorgehen in den vergangenen drei Jahren vom Jobcenter Region Hannover praktiziert?

5. In wie vielen Fällen ist eine Entschuldigung für dieses menschenverachtende Vorgehen erfolgt?

6. Müssen die Schwerkranken bei einer Nichtbefolgung mit Sanktionen rechnen, wie bei Nichtbefolgung einer solchen „Einladung" normalerweise üblich?

7. Beabsichtigt das Jobcenter Region Hannover diese Praxis fortzusetzen?

Michael Fleischmann