Herbizid freie Flächen in der Region Hannover

Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 20. März 2018

 

Sachverhalt:

Vorbemerkung des Fragestellers:

Im November 2017 hat der damalige Agrarminister Christian Schmidt (CSU) einer Verlängerung der EU-weiten Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat im EU-Parlament für weitere 5 Jahre zugestimmt. Und das obwohl „[m]ehr als eine Million Bürger in der EU gegen eine weitere Zulassung des Mittels unterschrieben [haben].“ („Schmidts Solo und die Folgen“, Spiegel, 2017) Die Zustimmung fand des Weiteren statt, obwohl das SPD-geführte Umweltministerium die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat für weitere 5 Jahre ablehnte. „In solchen Fällen gilt gemäß der Geschäftsordnung der Bundesregierung: Berlin muss sich im zuständigen EU-Ausschuss enthalten.“ („Schmidts Solo und die Folgen“, Spiegel, 2017)

Doch obwohl im öffentlichen Diskurs fast ausschließlich die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat thematisiert werden, ist nicht nur die potentielle Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat allein zu berücksichtigen. Vielmehr sollte der Fokus auf die allgemeinen Auswirkungen von Herbiziden wie beispielsweise „Roundup“ von Monsanto gelegt werden. Denn auch wenn Glyphosat einzeln genommen nicht Krebserregend sein sollte, so sind die Endprodukte (wie bspw. „Roundup“), welche auf den Flächen versprüht werden und bei denen Glyphosat ein aktiver Bestandteil ist, nachweislich Gesundheitsgefährdend für Tiere und Menschen (vgl. Zentrum der Gesundheit, 2017). „Dies liegt daran, dass die Rezeptur noch weitere Gifte enthält, beispielsweise Formaldehyd und somit der sogenannte „Cocktaileffekt“ entsteht, was bedeutet, dass die Mixtur immer gefährlicher und giftiger ist als die einzelnen Komponenten für sich allein.“ (Zentrum der Gesundheit, 2017)

Damit sollte klar sein, dass die Debatte darum ob Glyphosat Krebserregend sei, in weiten Teilen nicht ausreichend ist.

„Die EU-Kommission muss jetzt handeln. Das Vorsorgeprinzip hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Der Verdacht, dass Glyphosat krebserregend ist, reicht aus, dem Wirkstoff die Zulassung zu verweigern.“ (Vogt, U. (SPD); Hagl-Kehl, R. (SPD), 2017)

Vor dem Hintergrund, dass die Abstimmung über eine weitere Zulassung von Glyphosat für weitere 5 Jahre bereits beschlossen wurde, sollte in Bezug auf die Flächen der Region Hannover darüber gesprochen werden, ob trotz der weiteren Zulassung von Glyphosat durch die EU die Regionsversammlung weiterhin den Einsatz von Herbiziden mit dem aktiven Bestandteil Glyphosat auf ihren eigenen Flächen unterstützen möchte.

„Chemische Mittel müssen so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Die bewährten Methoden des Ackerbaus, wie weite Fruchtfolgen, mechanische Bodenbearbeitung und biologische Pflanzenschutzmittel, müssen Vorrang vor chemischen Mitteln erhalten. Erst dann werden wir unsere selbstgesteckten Ziele zum Erhalt der Biodiversität und eine widerstandsfähige Landwirtschaft erreichen.“ (Vogt, U. (SPD); Hagl-Kehl, R. (SPD), 2017)

Da allerdings klar ist, dass bereits abgeschlossene Pachtverträge nicht einfach so umgestaltet werden können und ebenfalls den Bürgern und Landwirten nicht vorgeschrieben werden kann wie sie ihre privaten und gewerblich-genutzten Flächen zu bewirtschaften haben, solange sie innerhalb von EU-Richtlinien handeln, wäre es umso wichtiger, dass die Region auf eigens bewirtschafteten Flächen auf den Einsatz von Herbiziden, welche bspw. Glyphosat enthalten, verzichtet und auch bei neu abgeschlossenen Pachtverträgen den Einsatz von Herbiziden verbietet.

 

Deshalb bitten wir um Beantwortung der folgenden Fragen:

Vorbemerkung der Verwaltung:

In der Regionsverwaltung sind mehrere Fachbereiche für die Verwaltung von Liegenschaften verantwortlich. So kümmern sich

  • der Service 17 „Gebäude“ um die Außenflächen der Verwaltungs- und Schulgebäude, 
  • der Fachbereich 36 „Umwelt“ um die Grundstücke des Dezernates III, die den Zwecken des Naturschutzes, des Naturparks Steinhuder Meer und der Naherholung dienen, 
  • der Fachbereich 80 „Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung“ um Flächen, die im Zusammenhang mit einer potenziellen Gewerbeflächenentwicklung im Eigentum der Region Hannover stehen und
  • der Fachbereich 86 „Verkehr“ um das Straßenbegleitgrün und um Kompensationsflächen aufgrund von Straßenbaumaßnahmen.

Viele dieser Flächen werden landwirtschaftlich genutzt von Acker- bis zu extensiver Grünlandnutzung.

Da nach Rücksprache mit der anfragenden Fraktion eine Beantwortung der Anfrage auf der Ebene der einzelnen Flurstücke nicht zielführend und im Ergebnis zu umfangreich wäre, werden die Antworten jeweils bezogen auf die eingangs genannten Fach- und Servicebereiche zusammengefasst.

 

1) Welche Flächen in der Region Hannover werden durch die Region bewirtschaftet und gepflegt und um wie viel Hektar handelt es sich dabei? Bitte detailliert auflisten.

Antwort der Verwaltung:

Service 17: Die Außenflächen der Verwaltungs- und Schulgebäude werden bis auf geringe Ausnahmen nicht selbst gepflegt.

Fachbereich 36:80,72 ha Grünlandflächen werden selbst gepflegt.

Fachbereich 80:Der Fachbereich 80 bewirtschaftet oder pflegt keine Flächen selbst.

Fachbereich 86:Das Straßenbegleitgrün entlang der Kreisstraßen in der Region Hannover (Gesamtlänge rund 630 km) wird von den Regions-straßenmeistereien gepflegt.

 

2) Wie viele Flächen der Region werden durch Dritte bzw. Fremdfirmen bewirtschaftet und gepflegt? Bitte die Rechtsform und Vertragslaufzeit detailliert auflisten.

Antwort der Verwaltung:

Service 17: Rund 500.000 qm Außenflächen der Verwaltungs- und Schulgebäude werden durch eine externe Gartenbaufirma auf Basis eines Rahmenvertrages gepflegt. Dieser ist auf zwei Jahre bis Ende 2019 abgeschlossen mit einer Option für ein weiteres Jahr.

Fachbereich 36: 540 ha Flächen sind an Landwirte mittels derzeit 119 Verträgen verpachtet. Die Pachtverträge haben grundsätzlich eine Laufzeit von einem Jahr und verlängern sich automatisch. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate zum Ende eines Pachtjahres (30.09.).

Fachbereich 80: 58 ha Ackerfläche sind an Landwirte verpachtet. 47 ha können jährlich gekündigt werden, 11 ha sind als Tauschflächen an Vollerwerbslandwirte langfristig verpachtet, die ihrerseits Ackerflächen im Rahmen der Gewerbeflächenentwicklung abgegeben haben.

Fachbereich 86: Ca. 4 ha Grünlandflächen (Ausgleichsmaßnahmen zu diversen Bauvorhaben) und 0,6 ha Ackerflächen werden von Pächtern be-wirtschaftet.

 

3) Auf welchen Flächen kommen Herbizide zum Einsatz? Bitte detailliert auflisten.

Antwort der Verwaltung:

Service 17: Der Einsatz von Herbiziden ist bei der beauftragten Pflege der Außenflächen der Verwaltungs- und Schulgebäude untersagt. Auch bei der geringen eigenen Pflege werden keine Herbizide eingesetzt.

Fachbereich 36: Auf den selbst gepflegten Flächen kommen keine Herbizide zum Einsatz.

Bei 90 der 119 Pachtverträge ist der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ausgeschlossen. 27 der verbleibenden Pachtverträge beziehen sich auf Flächen in Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten. In 7 Fällen ist aufgrund der Schutzgebietsverordnung der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln verboten, in den übrigen 20 Fällen ist der Einsatz von Herbiziden nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und guten fachlichen Praxis* erlaubt. In zwei Fällen gibt es keine vertraglichen oder naturschutzrechtlichen Regelungen; auch hier gelten die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und guten fachlichen Praxis.

Fachbereich 80: Auf den verpachteten Flächen ist der Einsatz von Herbiziden nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und guten fachlichen Praxis* zulässig.

Fachbereich 86: Auf den von den Straßenmeistereien gepflegten Flächen ist der Herbizideinsatz seit vielen Jahren untersagt. Auf den verpachteten Grünlandflächen ist durch die Pachtverträge der Einsatz von Herbiziden sowie Düngemitteln jeglicher Art ausgeschlossen. Auf den verpachteten Ackerflächen ist der Einsatz von Herbiziden entsprechend der landwirtschaftlichen Erfordernisse möglich.

 

4) Falls der Einsatz von Herbiziden auf diesen Flächen zugelassen ist: Wie viele Tonnen von diesen Herbiziden, die unter anderem Glyphosat enthalten, wurden in der gesamten Region Hannover durch die Region Hannover in den Jahren 2016 und 2017 versprüht?

Antwort der Verwaltung:

Durch die Region Hannover wurden in den Jahren 2016 und 2017 keine Herbizide eingesetzt.

 

5) Wie steht die Verwaltung zu einem Nutzungsverbot von Herbiziden auf den Flächen der Region Hannover, die durch die Verwaltung bewirtschaftet und gepflegt werden?

Antwort der Verwaltung:

Wie zu Frage 4 dargestellt, setzt die Region Hannover grundsätzlich keine Herbizide ein. Dies wird auch zukünftig so gehandhabt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass in absoluten Ausnahmefällen es im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes notwendig sein kann, als ultima ratio bei der Bekämpfung von aggressiven und gefährlichen Neophyten Herbizide einzusetzen, sofern dies von den zuständigen Behörden genehmigt wird.

 

6) Wie steht die Verwaltung dazu, dass in zukünftig abgeschlossenen Pachtverträgen über Flächen der Region, der Einsatz von Herbiziden verboten wird?

Antwort der Verwaltung:

In einigen Bereichen der Regionsverwaltung werden bereits entsprechende Überlegungen für die Flächen, auf denen noch ein Einsatz möglich ist, angestellt. Grundsätzlich ist die Bereitschaft vorhanden, in zukünftig abzuschließenden Pachtverträgen den Einsatz von Herbiziden auszuschließen. Es ist jedoch dabei zu berücksichtigen, dass ein Verbot des Herbizideinsatzes in Pachtverträgen dazu führen kann, dass sich der Pachtpreis reduziert, da die Landwirte weniger Ertrag produzieren können. In einigen Fällen kann es auch passieren, dass sich keine Landwirte finden lassen, die bereit sind, die Flächen unter Verzicht auf Herbizide zu bewirtschaften.

 

7) Laut der Antwort auf eine Anfrage aus dem Bezirksrat in Buchholz-Kleefeld [15-0050/2018 F1] versprühte die Deutsche Bahn im Jahr 2017, allein in Kleefeld, ca. 27,6 Liter glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel. Vor diesem Hintergrund: Wie viele Liter glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel bzw. allgemein Herbizide wurden 2017 zur „chemischen Vegetationskontrolle“ durch die Deutsche Bahn auf dem Schienennetz in der Region Hannover ausgebracht?

Antwort der Verwaltung:

Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG verlaufen in der Region Hannover 953,8 km Gleis (einschließlich Abstellanlagen und Rangierbahnhöfe). Auf dieser Fläche wurden 2017 ca. 1.850,37 l glyphosathaltige Stoffe ausgebracht. Es handelt sich dabei um einen Mittelwert bezogen auf die Region Hannover. Einschränkungen, z.B. Beachtung von Schutzgebieten, Vermeidungsmaßnahmen auf Brücken, Bahnübergänge und Baumaßnahmen wurden einbezogen.

 

8) Vor demselben Hintergrund: Wurden im Jahr 2017 durch die Üstra Verkehrsbetriebe ebenfalls Herbizide entlang des heute rund 123 km langen Stadtbahnnetzes (Gleisbett) versprüht? Wenn ja, um wie viel Liter handelt es sich hierbei?

Antwort der Verwaltung:

Nach Auskunft der üstra wurden im Jahr 2017 ca. 120 l Herbizide im Schwellengleis mit Schotterbettung versprüht. Auf Gleisanlagen anderer Bauform (feste Fahrbahn, Rasengleis etc.) wurden keine Herbizide eingesetzt. Bei einer Streckenlänge von 65 km, auf der Schwellengleis mit Schotterbettung eingebaut ist, ergibt sich bei ca. 6,5 m Bahnkörperbreite eine behandelte Fläche von rund 420.000 m². Je Quadratmeter wurden somit 0,000285 l Herbizide pro Jahr versprüht.

 

*Leitlinien Ordnungsgemäße Landwirtschaft der Landwirtschaftskammer Niedersachsen;
https://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/6/nav/2219/article/31127.html