Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen

Anfrage des Regionsabgeordneten Manfred Milkereit vom 09. März 2018

 

Sachverhalt:

Vorbemerkung:

In einem Urteil des Landessozialgerichts NRW vom 29. Juni 2017 (AZ L 7 AS 607/17)1 wurde die Aufrechnung /Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens mit Leistungen eines Hartz IV-Beziehers für rechtswidrig erklärt.

Bis zu diesem Gerichtsurteil wurden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt (§42a Abs. Satz 1 SGB II).

Laut einem Artikel auf regensburg-digital.de mit dem Titel: „Auch Jobcenter sieht ein: Das Existenzminimum ist das Existenzminimum“2 verzichtet das Jobcenter Regensburg in Zukunft darauf Mietkautionsdarlehen mit dem Regelunterhalt der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) zu verrechnen.

 

Zum Hintergrund des Verfahrens:

Laut §22 Abs. 6 SGB II können Aufwendungen für eine Mietkaution durch den am Ort der neuen zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden.

Laut §22 Abs. 6 Satz 3 SGB II sollen Aufwendungen für eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden.

Die Rückzahlungsverpflichtung von Darlehen ist in §42 a SGB II geregelt.

Laut Beschlusstext des LSG NRW (AZ: L7 AS 607/17) ist der Wortlaut von §42a Abs. Satz 1 [(2) Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt.] offen und zwingt nicht zu einer Anwendung der Aufrechnung auf Mietkautionsdarlehen.

Anbei einige weitere Auszüge aus der Urteilsbegründung des LSG NRW, L7 AS 607/17:

„Der Betroffene [HartzIV-Empfänger] kann anders als bei Bedarfen nach §24 Abs. 1 SGBII – keine Rücklagen bilden um diese anzusparen. Durch eine Aufrechnung würden seine Leistungen zur Deckung des Existenzminimums geschmälert, obwohl der Gesetzgeber selbst durch eine Trennung der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs und von Mehrbedarfen (§§ 20, 21 SGB II) einerseits und von Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) andererseits (ausführlich zu Trennung dieser Bedarfe BSG Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R) nicht von wechselseitigen Bedarfsdeckungsmöglichkeiten ausgeht.

Eine teilweise Deckung von Unterkunftsbedarfen durch Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs sieht das Gesetz nicht vor.

Bei offenem Wortlaut der Vorschrift führt auch eine verfassungskonforme Auslegung zur Nichtanwendung von § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II auf Mietkautionsdarlehen.

Insbesondere ist es dem Betroffenen nicht zuzumuten, auf die Deckung der in der Regelleistung enthaltenen soziokulturellen Bedarfe (vorübergehend) zu verzichten.

Zum internen Ausgleich kann nicht pauschal darauf verwiesen werden, dass Bedürftige Leistungen zur Deckung soziokultureller Bedarfe als Ausgleichsmasse für andere Bedarfspositionen einsetzen könnten, denn der soziokulturelle Bedarf gehört zum grundrechtlich gesicherten menschenwürdigen Existenzminimum“.

 

1        Urteil des Landessozialgericht NRW “Grundsicherung für Arbeitssuchende“ vom 29.06.2017 https://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsgnrw/j2017/NRWEL7AS60717.html

2        Auch Jobcenter sieht ein: Das Existenzminimum ist das Existenzminimum vom 16.10.2017 http://www.regensburg-digital.de/auch-jobcenter-sieht-ein-das-existenzminimum-ist-das-existenzminimum/16102017/

 

Vor diesem Hintergrund frage ich den Regionspräsidenten:

1. Wie ist die Praxis beim Jobcenter Region Hannover?

a)Wird durch das hannoversche Jobcenter eine Mietkaution vom „Existenzminimum/Hartz IV-Regelsatzleistungen“ in Höhe von 10% (oder anderer Höhe) der Regelbedarfe des/der Darlehensnehmer abgezogen? Oder

b)mit den laufenden Leistungen verrechnet?

Antwort zu a) und b):

Seitens der gemeinsamen Einrichtung (gE) Jobcenter Region Hannover werden Darlehen, welche gemäß § 22 Abs. 6 SGB II für Mietkautionen erbracht wurden, mit 10 % des maßgebenden Regelbedarfs gegen den laufenden Leistungsanspruch (Regelbedarf und Bedarfe für Unterkunft und Heizung) aufgerechnet. Diese Aufrechnung erfolgt im Rahmen des § 42a Abs. 2 SGB II ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt.

 

c)Gab oder gibt es Veränderungen im Verfahren?

d)Falls ja: welche Veränderungen? (bitte einzeln beschreiben)

Antwort zu c) und d):

Bis Ende 2015 forderte die gE Jobcenter Region Hannover bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die darlehensweise Gewährung der Mietkaution eine Abtretung des Rückzahlungsanspruches vom Leistungsberechtigten (Mieter) auf die Jobcenter Region Hannover. Erst nach Vorlage dieser Abtretungserklärung, erfolgte die Zahlung der Kautionssumme auf das Kautionskonto.

Mit Inkrafttreten des § 42a SGB II hat der Gesetzgeber ein normatives Instrument zur Sicherung der Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen geschaffen. Daher wird seit Ende 2015 auf das Veranlassen von Abtretungserklärungen zur Sicherung von Mietkautionsdarlehen verzichtet und somit auf die zusätzliche Sicherung auf privatrechtlicher Ebene.

 

e)Sind Veränderungen im Verfahren angedacht oder bereits geplant? (bitte einzeln beschreiben)

Antwort zu e):

Nein. Eine höchstrichterliche Klärung auf die Frage der Aufrechnung steht noch aus und wird zunächst abgewartet.

 

2. Wie viele „Kunden“ haben Darlehen für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile beantragt? (bitte detailliert aufschlüsseln nach Kalenderjahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017)

 

3. Wie viel Anträge auf Darlehen für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile wurden abschlägig beschieden? (bitte detailliert aufschlüsseln nach Kalenderjahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 und den jeweiligen Ablehnungsgründen)

Antwort zu 2. und 3.:

Die statistischen Auswertungsmöglichkeiten lassen eine entsprechend differenzierte Beantwortung nicht zu.

 

4. Wie hoch ist die Anzahl der Arbeitslosengeld II-Bezieher in der Region Hannover, die Widerspruch gegen die Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen beim Jobcenter der Region Hannover erhoben haben? (bitte detailliert aufschlüsseln nach Kalenderjahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017)

 

5. Wie viele Widersprüche wurden abgelehnt? (bitte detailliert aufschlüsseln nach Kalenderjahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 und den jeweiligen Ablehnungsgründen)

Antwort zu 4. und 5.:

Die Aufschlüsselung der Widerspruchsstatistik nach Widersprüchen gegen die Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen ist über den Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit nicht möglich und wird auch von der gE Jobcenter Region Hannover nicht geführt.

 

6. Wie viele laufende Verfahren in Sachen Darlehen für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile sind in der Region Hannover derzeit vor Gerichten streitig?

Antwort zu 6.:

Eine entsprechend differenzierte Statistik wird in der gE Jobcenter Region Hannover nicht geführt.

 

7. Welche rechtskräftigen Urteile in Sachen Rückzahlung von Darlehen für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile gegen das Jobcenter Region Hannover gibt es bereits ? (bitte detailliert auflisten)

Antwort zu 7.:

Rechtskräftige Urteile zum Thema Rückzahlung von Darlehen für Mietkautionen oder Genossenschaftsanteilen werden statistisch nicht explizit erfasst. Diese Urteile werden unter dem Themengebiet Bedarfe für Unterkunft subsummiert.

 

8. Wie viele Hartz IV-Bezieher haben beim Jobcenter Region Hannover einen Antrag auf Stundung der Darlehensaufrechnung für eine Mietkaution/Genossenschaftsanteil nach § 44 SGB II i.V. mit § 59 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BHO bzw. analoge Vorschrift nach LHO, gestellt? (bitte detailliert aufschlüsseln nach Kalenderjahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017)

Antwort zu 8.:

Eine solche Auswertung ist über den Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit nicht möglich und wird auch von der gE Jobcenter Region Hannover nicht nachgehalten.