Redebeitrag Jessica Kaußen Aktuelle Stunde: „Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Region Hannover“ in der Regionsversammlung am 26.06.2018 

Jessica Kaußen

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Sehr geehrter Herr Regionspräsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

DIE GLEICHSTELLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IST DURCHGÄNGIGES LEITPRINZIP UND SOLL BEI ALLEN MASSNAHMEN DER REGION IN IHREN BEREICHEN GEFÖRDERT WERDEN (GENDER MAINSTREAMING).

Dieser Satz ist der Geschäftsordnung für die Regionsversammlung vorangestellt.

Diese Geschäftsordnung vorsätzlich missachtend hat die Alternative für Deutschland auf ihrer schriftlichen Beantragung zur aktuellen Stunde einen Blau-Braunen Stempel verwendet mit der dem Motto: 

"100 % GENDERFREI. Heimat stärken. Kultur erhalten. Werte leben."

Bereits in einer Anfrage des AfD-Regionsabgeordneten Detlef Ulrich Adersmit der A-Nummer 1139 im Februar dieses Jahres wird die Ermordung die Freiburger Studentin Maria L. mit dem Verfahren zur Altersfeststellung Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge in einem Zusammenhang gebracht.

Schon im Februar 2018 hat die Regionsverwaltung geantwortet, dass das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung durch das erstaufnehmende Jugendamt durchgeführt wird.

Seit dem 01.12.2015wurden durch das Jugendamt der Region Hannover 520 unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer in Obhut genommen.

Zu Inobhutnahmen zählen sowohl vorläufige Inobhutnahmen nach § 42a SGB VIII als auch Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII, die nach Zuweisungen durch die Landesverteilstelle beim Landesjugendamt erfolgten.

Laut der Regionsverwaltung wurde die Beendigung der Inobhutnahme bzw. Hilfeleistung in 15 Fällen durchgeführt, nur in 13 Fällen lag keine Minderjährigkeit vor, das sind 2,5% aller Fälle.

Trotz dieser eindeutigen Zahlen bringt die AfD das Thema: „ALTERSFESTSTELLUNG VON UNBEGLEITETEN MINDERJÄHRIGEN FLÜCHTLINGEN“ wieder auf die Tagesordnung, um Stimmung gegen geflüchtete Menschen zu machen.

So hetzte die AfD Barsinghausen-Wennigsenzwei Tage bevor die parlamentarische Anfrage zur Altersfeststellung von Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen (UMF) gestellt wurde, auf ihrer Facebook-Seite:

ICH ZITIERE: „WARUM wählt ihr Parteien, die die Massenimmigration befördern und den Islam hofieren? Warum habt ihr zugelassen, dass ich ermordet werde? Darunter ein Bild von einem blonden Mädchen.

GANZ IM STIL DER NPD.

Verantwortlich für diesen rassistischen Post: Der Barsinghäuser Stadtverbandsvorsitzender und Neu-Regionsabgeordneter Clemens Hafemann.

Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach der geltenden Rechtslage in der Kinder- und Jugendhilfe ist folgendermaßen geregelt:

Nach unbegleiteter Einreise haben die Jugendämter die jungen minderjährigen Menschen vorläufig in Obhut zu nehmen.

Damit sind sie die erstzuständige Institution und nicht das BAMF. 

Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme haben sie (nach § 42 f SGB VIII) die Aufgabe der Altersfeststellung. Das ist seit 2015 Gesetzeslage.

Die Altersfeststellung erfolgt in einem abgestuften Verfahren: Zunächst hat das Jugendamt (nach § 42 f SGB VIII) die Minderjährigkeit der betroffenen Person durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere oder ähnliche Dokumente festzustellen.

Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft der oder des Betreffenden. Verbleiben danach Zweifel, ist eine Alterseinschätzung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen.

Diese wird von zwei Fachleuten durchgeführt und würdigt den Gesamteindruck. Er umfasst neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zur Herkunft, Fluchtgeschichte und zum körperlichen und geistigen Entwicklungsstand. 

Das kann auch ein mehrtägiges Verfahren sein.

Das Jugendamt hat auf Antrag der betroffenen Person, ihrer gesetzlichen Vertretung oder von Amts wegen bereits heute eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 SGB VIII), wenn die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis führt.

Bislang werden dazu in Zweifelsfällen Röntgenaufnahmen der Hand oder der Schlüsselbeine sowie eine zahnärztliche Untersuchung veranlasst.

Dieses Verfahren: Röntgenaufnahmen der ist hochumstritten, weil die Referenzwerte für Knochenvermessungen aus den USA der 30 er Jahre stammen.

Der statistische Fehler bei einem 17- jährigen männlichen Jugendlichen liegt bei über 15 Monaten. Hinzu kommt, dass der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery noch einmal deutlich gemacht hat, dass das Röntgen ohne medizinische Indikation ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist.

Aktuell tauchen zwei neue Verfahren zur Altersfeststellung in der Diskussion auf: ein DNA-Testsowie ein sogenannter PRISMA-Handscanner. Der Handscanner befindet sich allerdings noch im Entwicklungsstadium, so dass über diesen noch keine belastbaren Aussagen möglich sind. Der DNA-Test bringt keine genaueren Ergebnisse als bisherige Verfahren zur medizinischen Altersfeststellung.

Bei dem Test wird nicht die DNA-Sequenz, sondern der Methylierunsgrad der DNA untersucht; dieser hängt mit der Aktivierung der DNA zusammen und wurde für die Untersuchung von Tumoren entwickelt.

Dabei hat man herausgefunden, dass man mit dem Methylierungsmuster auch Alterungsprozesse verfolgen kann.
In der Medienlandschaft ist bislang nur der Erfinder und Entwickler des DNA-Tests zu Wort gekommen.

Eine DNA-Analyse ist ein viel größerer Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte, denn man kann Verwandtschaftsverhältnisse und ethnische Herkunft ermitteln.

Bundesärztekammer, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, das Deutsche Kinderhilfswerk, SOS-Kinderdorf, alle drei kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände. Terre des Hommes, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, alle seriösen Fachleute bestreiten, dass man das exakte Alter ermitteln kann.

Keine der genannten Methoden kann das genaue Geburtsdatum ermitteln, es bleiben immer Ungenauigkeiten von ein bis zwei Jahren.

DIE LINKE FORDERT DEN VERZICHT AUF UNZUVERLÄSSIGE UND ENTWÜRDIGENDE ALTERSFESTSTELLUNGSVERFAHREN