Fiskalpakt verhindern!

Michael Fleischmann, Regionsabgeordneter

Ist der Fiskalpakt Realität, dürfte die kommunale Selbstverwaltung und damit die politische Handlungsfähigkeit der Kommunalpolitiker/innen weitgehend beendet sein. Leider meinten die anderen Abgeordneten gestern in der Regionsversammlung, der Fiskalpakt habe nichts mit Hannover und der Region zu tun. Die Politiker/innen weigerten sich deshalb, sich mit unserem Antrag zu beschäftigen. Darin werden die Abgeordneten in Bundestag und Bundesrat aufgefordert, dem Fiskalpakt nicht zuzustimmen. Wir haben uns mit dem Antrag einem Aufruf des DGB Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt angeschlossen. Anbei vielleicht von Interesse meine Rede zum Thema, die ich aus besagtem Grund nicht halten dufte und die etwas Licht in die komplizierten Zusammenhänge bringt.

Sehr geehrte Damen und Herren,
laut unserem Antrag soll die Regionsversammlung an die Abgeordneten in Bundestag und Bundesrat appellieren, dem europäischen Fiskalpakt nicht zuzustimmen. Ende dieses Monats soll der Pakt zusammen mit den Stimmen von SPD und Grünen abgesegnet werden. Warum dieser Antrag, werden vielleicht einige von Ihnen fragen? Was hat dieser Antrag mit Kommunalpolitik und mit der Region Hannover zu tun? Sehr viel, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so scheint. Dazu gleich mehr. Zunächst möchte ich fürs bessere Verständnis ein paar Grundzusammenhänge rund um den Fiskalpakt erläutern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit dem Fiskalpakt die Staatsschulden eindämmen. Der Pakt verpflichtet die Regierungen Europas auf eine radikale Sparpolitik. Das Ergebnis dieser Politik ist am krassesten in Südeuropa und dort vor allem in Griechenland und mittlerweile auch in Spanien als einem wirtschaftlichen Schwergewicht der Eurozone zu beobachten: Die Wirtschaft wird immer tiefer in die Krise geritten. Der Grund dafür: Fortwährender Sozialabbau und andere Sparmaßnahmen oder gar Kürzungen bei Löhnen und Gehältern lassen die Binnennachfrage, den Stützpfeiler jeder Volkswirtschaft, einbrechen. Als Folge nehmen Unternehmenspleiten und Arbeitslosigkeit zu. In Spanien etwa ist schon heute offiziell fast jeder Vierte arbeitslos, unter jungen Leuten sogar mehr als jeder Zweite. Die zunehmenden Unternehmenspleiten und die steigende Arbeitslosigkeit führen schließlich dazu, dass die Steuereinnahmen einbrechen. Dadurch wachsen die Staatsschulden, anstatt zu sinken, sodass weitere Kürzungen fällig werden – ein Teufelskreis. Die These, man könne mit radikaler Sparpolitik die öffentlichen Haushalte sanieren, ist deshalb absoluter Unfug. Diese verheerende Kürzungspolitik wollen nun 25 der 27 EU-Regierungen mit dem Fiskalpakt für alle Ewigkeit festschreiben.

In allen EU-Ländern müssen wie üblich die sozial Schwachen, die Geringverdienerinnen und Geringverdiener und zunehmend auch die Mittelschicht für die Sparpolitik bluten – und die Kürzungen werden noch heftiger ausfallen. Staaten dürfen laut Fiskalpakt künftig nicht mehr ausgeben als sie einnehmen, sonst drohen Sanktionen. Europaweit sollen „Schuldenbremsen“ die Neuverschuldung der Staaten angeblich auf Null drücken. Die Große Koalition von 2009 hat zwar schon eine Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben, die soll aber erst ab 2020 wirken. Durch den europäischen Fiskalpakt werden die Schuldenbremsen nun auf das Jahr 2014 vorgezogen und umfassen jetzt auch die Kommunen. Selbst der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält das laut einem Pressebereicht von Ende Mai für die Kommunen für nicht verkraftbar. Zusätzlich verpflichten sich die EU-Länder laut Fiskalpakt, Schulden abzubauen. Deutschland etwa muss 25 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Das ist mehr als der Bund jährlich für Hartz IV ausgibt.

Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen sind laut Pakt nicht vorgesehen, weil das angeblich der Wettbewerbs- und Investitions-Fähigkeit schadet. Auch das ist grober Unfug und vor dem Hintergrund, dass Milliardäre und Millionäre auch im vergangenen Jahr ihr Vermögen weiter kräftig steigern konnten, ein Skandal. Das private Nettovermögen ist hierzulande fast 4-mal so groß wie die gesamte Staatsverschuldung. Rund acht Billionen Euro Nettovermögen stehen zwei Billionen Euro Staatsschulden gegenüber. Und der private Reichtum ist sehr ungleich verteilt: Die reichsten 10 Prozent besitzen ganze 60 Prozent des Nettovermögens.

Die Auswirkungen des Fiskalpakts auf die Region Hannover und die sie finanziell tragenden Städte und Gemeinden sind unübersehbar. Bund und Land werden ihre „Schuldenbremsen“ durch weitere Geldkürzungen auf die Kommunen abwälzen. Eine Sparpolitik mit Gebührenerhöhungen bei schlechteren kommunalen Leistungen für die Einwohnerinnen und Einwohner, wie sie schon heute vielfach praktiziert wird, wird dann der Normalzustand werden. Die finanzielle Notlage vieler Kommunen wird sich weiter dramatisch verschlechtern. Zunehmend werden soziale Einrichtungen, soziale und andere Aufgaben auch der Region, wie etwa der öffentliche Nahverkehr, von den Kürzungen betroffen sein. Die Schließung von Einrichtungen und weitere Privatisierungen werden ein Thema werden. Die Privatisierung der Altenpflegeheime in Burgdorf, Springe und Laatzen sowie der Verkauf der Kitas in Gehrden und Neustadt waren dann nur der Anfang.

So wird den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern in der Regionsversammlung und in den Stadt- und Gemeinde-Räten jede Möglichkeit der politischen Gestaltung genommen. Das einzige, was Sie liebe Kolleginnen und Kollegen dann noch entscheiden dürfen, ist, wo und in welchem Umfang Sie als nächstes kürzen und privatisieren. Der Fiskalpakt ist deshalb ein frontaler Angriff auf die Demokratie und hochgradig unsozial. Ein drohender wirtschaftlicher Abschwung auch in Deutschland im Gefolge der Krisenentwicklungen in vielen anderen europäischen Ländern wird diese verheerende Entwicklung beschleunigen.

Die von SPD und Grünen in Spiel gebrachte Finanztransaktionssteuer als Voraussetzung für die Zustimmung zum Fiskalpakt, wird seine verheerenden Folgen nicht stoppen. Die Finanztransaktionssteuer ist eine politische Notwendigkeit, um Spekulanten das Handwerk zu legen, bringt als Promillesteuer aber keinen Durchbruch bei den Einnahmen des Staates. Der wirtschaftlich schädliche Fiskalpakt wird auch nicht besser, wenn man ihm einen Wachstumspakt zur Seite stellt. Wer ernsthaft für soziale und demokratische Rechte steht, muss deshalb den Fiskalpakt ohne Wenn und Aber ablehnen.

Als völkerrechtlicher Vertrag lässt sich der Fiskalpakt kaum ändern. Ist die sogenannte Schuldenbremse erst in der Verfassung verankert, können sie auch andere politische Mehrheiten kaum mehr rückgängig machen. Aber es gibt noch Hoffung: Der Pakt braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Die Abgeordneten müssen den Pakt stoppen! Das fordert auch der DGB Bezirk Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt in seinem Papier „Europa sozial und solidarisch gestalten – Fiskalpakt verhindern!“ Dieser Argumentation schließen wir uns an und haben sie in unseren Antragstext übernommen. Wenn Sie, meine Damen und Herren, jetzt unseren Antrag durch Nichtbefassung vom Tisch wischen, wie das schon im Regionsausschuss geschehen ist, ist das ein großer Fehler, zeugt von politischer Ignoranz und Arroganz. Die Menschen auch in der Region Hannover werden dann die vergifte Suppe namens Fiskalpakt auslöffeln müssen

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