Rede zum Thema Betreuungsgeld

Michael Fleischmann, stellv. Fraktionsvorsitzender

Betreuungsgeld: Eine zweifelhafte Wohltat wie das Betreuungsgeld kurz vor der Bundestagswahl 2013 wird nicht dazu beitragen, die Kinder auf die Zukunft vorzubereiten.

 

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

Was ist noch zum sogenannten Betreuungsgeld zu sagen? Ich zitiere aus der Presse: Scheinargument der Wahlfreiheit, absurdeste Sozialleistung, die es je gegeben hat. Nicht nur ungerecht, auch unlogisch, Betreuungsgeld gleich betreuter Unfug usw.

Das Spektrum des Widerspruchs reicht vom paritätischen Wohlfahrtsverband bis zum Ifo-Institut, und sogar aus den eigenen Reihen der CDU kommt Gegenwind. Immer wieder wurde das schwarz-gelbe Regierungsbündnis darauf hingewiesen: Je länger ein Kind eine vorschulische Einrichtung besucht, umso besser sind im Schnitt seine Lernerfolge. Und damit auch seine Zukunftsperspektiven.

Zahlreiche Studien aus dem In-und Ausland belegen, dass Kinderkrippen und -gärten kein Abstellgleis für den Nachwuchs unverantwortlicher Eltern sind. Im Gegenteil: Sie sind wichtiger Bestandteil der frühkindlichen Förderung und Bildung. Hier zeigt sich, dass das Betreuungsgeld politischer Unsinn ist: Um der demografischen Entwicklung gerecht zu werden, brauchen wir viele gut ausgebildete junge Menschen. Und mit dem Betreuungsgeld wird eine Familienpolitik festgeschrieben, die sich am klassischen männlichen Alleinverdiener Modell orientiert. Mit dem Betreuungsgeld wird die Ungleichheit in der Gesellschaft fortgeschrieben, und das Regierungsbündnis schmälert die Zukunftsperspektiven der Kinder. In Thüringen, wo das Betreuungsgeld schon eingeführt wurde, haben sich die Befürchtungen bestätigt.

Wahlfreiheit gibt es nicht

Auch mit der Einführung des Betreuungsgeldes entstehen keine weiteren Kita-Plätze. Aber das Betreuungsgeld lenkt ab vom bundesweiten Betreuungsnotstand bei den Kita-Plätzen. Ab 2013/2014 gibt es in Deutschland einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für ein- bis dreijährige Kinder. Um dem Bedarf gerecht zu werden, soll eine Betreuungsquote von mindestens 35 Prozent erreicht werden. Mit dieser Festlegung geht der schwarz-gelbe Gesetzgeber davon aus, dass sich 65 Prozent der Eltern von unter Dreijährigen gegen eine staatliche Betreuung und für die Betreuung in der Familie entscheiden.

Die Betreuungsquote von 35 Prozent ist aus folgenden Gründen viel zu niedrig angesetzt, worauf auch der Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Städtetag hingewiesen haben. Immer mehr Eltern können sich eine staatliche Betreuung ihrer Kinder schon in den ersten Lebensjahren vorstellen. Durch die Einführung des Elterngeldes ist der Wiedereinstieg der Mütter in den Beruf nach zwölf Monaten zum Normalfall geworden. Laut einer Forsa-Umfrage wollen 66 Prozent der jungen Frauen eine Krippe oder Tagesmutter in Anspruch nehmen. Von jungen Akademikerinnen hätten sogar 78 Prozent gern einen Krippenplatz. Viele Akademikerinnen wünschen sich auch einen Betreuungsplatz für ihren unter 1-jährigen Nachwuchs. Davon ist bisher in der Öffentlichkeit überhaupt nicht die Rede.

Die Stadt Hannover hat sich entschlossen, bis zum Jahr 2013 wenigstens eine Betreuungsquote von 40 Prozent zu erreichen – teils in Einrichtungen und teils durch die Tagespflege bereitgestellt. Aber auch eine Betreuungsquote von 40 Prozent ist immer noch zu niedrig, weil sich fast alle hannoverschen Eltern einen Betreuungsplatz für ihre 1- bis 3-Jährigen wünschen. In den Umlandkommunen sieht es nicht viel anders aus. Nach Schätzungen des Städte und Gemeindebundes fehlen bundesweit noch rund 200 000 Plätze bis 2013. Es reicht nicht, den Kommunen dafür den Schwarzen Peter zuzuschieben, weil der Bund für die Betreuungsplätze nicht genug Geld gibt.

Dass dem so ist, zeigt doch die Absicht, das Betreuungsgeld einzuführen. Solange nicht für jedes Kind ein Betreuungsplatz bei Bedarf zur Verfügung steht, gibt es auch keine Wahlfreiheit. Und mit dem Betreuungsgeld kann auch keine hergestellt werden.

Doch die konservativen Kreise klammern sich vehement an ein Familienbild, bei dem der Vater zur Arbeit geht und die Mutter zu Hause bei den Kindern bleibt. Dieses können sich aber heutzutage nur noch wenige Eltern erlauben. Und diejenigen, die das können, die brauchen das Betreuungsgeld nicht.

Die Eltern aber, die auf zwei Einkommen angewiesen sind, denen hilft die Summe von 100 bis 150 Euro auch nicht weiter. Dazu verlieren die Konservativen die Alleinerziehenden komplett aus dem Blick. Ist ihre Erziehungsleistung nicht zu würdigen?

Was ist, wenn Mütter oder Väter mangels eines Betreuungsplatzes auf Hartz IV angewiesen sind? Da plant die schwarz-gelbe Regierung, um den Streit in der Koalition zu schlichten, einfach so mal, das Betreuungsgeld auf die Regelleistung von Hartz IV anzurechnen. Ist denn die Erziehungsleistung von Hartz-IV-Empfängern weniger wert? Diese Praxis ist diskriminierend.

Und damit komme ich zum Schluss

Wenn Schwarz-Gelb wirklich etwas für das Leben mit Kindern tun will, dann müssen Frau Merkel & Co sich endlich für einen gerechten Mindestlohn stark machen und in Bildung und Ausbildung von jungen Menschen investieren. Die Bundespolitik muss den Kommunen deutlich mehr Geld, damit diese genügend Betreuungsplätze für die Kleinsten schaffen können. Eine zweifelhafte Wohltat wie das Betreuungsgeld kurz vor der Bundestagswahl 2013 wird nicht dazu beitragen, die Kinder auf die Zukunft vorzubereiten.