Einrichtung Hygiene Center für wohnungslose/obdachlose Menschen in der Region Hannover

Anfrage des Regionsabgeordneten Manfred Milkereit vom 28. Februar 2018

 

Sachverhalt:

Alleine im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover gelten aktuell ca. 4.000 Personen als wohnungslos.1

Nach aktuellen Publikationen von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe gehören davon 400 Menschen zu der Gruppe der Straßenobdachlosen. Laut Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) kommen in Großstädten bis zu 50 % der Personen ohne jede Unterkunft auf der Straße aus EU-Staaten, vornehmlich aus Osteuropa.

Besonders Haftentlassene, verschuldete Menschen oder z. B. Menschen, die eine stationäre Therapie abgeschlossen haben, droht das Schicksal der Wohnungslosigkeit/Obdachlosigkeit.

Es hat sich gezeigt, dass ein großer Mangel an Räumlichkeiten besteht, in denen Wohnungslose/Obdachlose sich an einem geschützten Ort tagsüber aufhalten können, aber auch praktische Unterstützung (kostenfreie Duschen und Toiletten, Benutzung von Waschmaschinen) bekommen.

Im niedersächsischen Koalitionsvertrag der SPD/CDU-Mehrheitsfraktion2 steht im Kapitel 2 „Solidarische Gesellschaft“:

„Wir wollen innovative Projekte gegen Obdachlosigkeit fördern und dabei insbesondere die Einrichtung von Hygiene-Centern und Krankenwohnungen unterstützen, in denen Obdachlose sich bei Krankheit und nach einem Krankenhausaufenthalt auskurieren können“.

1Informationsdrucksache Nr. 0310/2018 der LHH: Situation von Wohnungslosen/Obdachlosen aus sozialpolitischer Sicht

2Für Innovation, Sicherheit und Zusammenhalt, S.51; 21.11.2017; https://www.spdnds.de/wp-content/uploads/sites/77/2017/11/Koalitionsvertrag2017.pdf

 

Vor diesem Hintergrund frage ich den Regionspräsidenten:

1. A) Welche Planungen gibt es in der Regionsverwaltung, um die Situation von wohnungslosen/obdachlosen Menschen durch Schaffung sogenannter „Hygiene Center“ zu verbessern ? B) Wie ist der Stand der Planungen?

Antwort zu A) und B):

In der Region Hannover gibt es derzeit neun Tagesaufenthalte im Rahmen der Hilfen gem. §§ 67 ff. SGB XII (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten), insbesondere für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Sieben davon befinden sich in der Landeshauptstadt Hannover (einer nur für Frauen), einer in Wunstorf und einer in Burgdorf. Die Tagesaufenthalte bieten vor allem wohnungslosen Menschen die Möglichkeit, alltägliche Dinge des Lebens auch ohne eigenen Wohnraum in geschützter Umgebung zu erledigen. Dazu gibt es ein breitgefächertes Grundversorgungsangebot wie Duschen, Waschmaschine und Wäschetrockner, Schließfächer, Notbekleidung, Büromaterial, medizinische Hausapotheke, Küchen- und Fernsehraumnutzung, Tageszeitung und Internet. Außerdem werden neben Krisenintervention auch sozialarbeiterische Beratung und Begleitung und, falls erforderlich, Vermittlung in andere weiterführende Hilfemöglichkeiten, u. a. Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII, angeboten. Ein bedeutender Aspekt bei dieser Ambulanten Hilfe in Tagesaufenthalten ist der soziale Kontakt und hier besonders zu den professionellen Sozialarbeiterinnen und -arbeitern, die durch ihren niedrigschwelligen Hilfeansatz mittels des Tagesaufenthalts einen wichtigen Einstieg in das Hilfesystem darstellen.
Diese Angebote werden jeweils zur Hälfte vom Land Niedersachen und der Region Hannover als Sozialhilfeträger gefördert.

Zusätzlich gibt es Angebote, die  medizinische Versorgung für den Personenkreis der Hilfen nach §§ 67 ff. leisten (aber auch von anderen von Armut betroffenen Menschen genutzt werden). Die Angebote sind als medizinische Hilfen und/oder ärztliche Sprechstunden teilweise in Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe angesiedelt (z. B. im Tagesaufenthalt Kontaktladen „Mecki“ des Diakonischen Werks Hannover oder in dem des Caritasverbands) oder sind eigenständige Einrichtungen, wie z. B. die Krankenwohnung „Die KuRVe“. Eine zweite Krankenwohnung befindet sich derzeit im Aufbau. Daneben  gibt es die Straßenambulanz für Wohnungslose des Caritasverbands und das „Zahnmobil“ des Diakonischen Werks als mobile zahnärztliche Versorgung.

Alle medizinischen Angeboten zielen darauf, dass sie bedarfsgerechte zusätzliche Angebote für Menschen in besonderen Lebenslagen darstellen, die sich im allgemeinen Gesundheitssystem nicht ausreichend versorgen können.

Sämtliche Angebote werden von der Region Hannover gefördert. Die Straßenambulanz und das Zahnmobil werden im Rahmen von Zuwendungen, die weiteren beschriebenen Angebote durch Sozialhilfemittel aufgrund von Leistungsvereinbarung nach SGB XII finanziert. Zu beachten ist hierbei, dass die sozialhilfefinanzierten Angebote dem Grunde nach nur den Auftrag haben, Personen mit entsprechendem Anspruch zu versorgen. Der große Personenkreis der wohnungslosen Menschen  ohne einen sozialhilferechtlichen Anspruch nutzt diese Angebote ebenfalls, die Leistungserbringer erhalten für diese Klientel jedoch  keine Finanzierung nach dem SGB XII.

Zwischen der Region Hannover, dem Land Niedersachsen und der Stadt Hannover finden unter Beteiligung der Leistungsanbieter derzeit Gespräche statt, um die bestehende Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen auszubauen und zu verbessen und ein entsprechendes Projekt zu konzipieren. Hierzu wurde eine spezielle Arbeitsgruppe „Medizinische Versorgung“ gegründet.

Vor diesem Hintergrund der vielfältigen bereits bestehenden Angebote ist zu prüfen, wie ein zusätzliches Angebot von sogenannten „Hygiene – Centern“ ggf. integriert werden kann.

 

2. Beabsichtigt die Region Hannover zusätzliche Fördermittel, und wenn ja in welcher Höhe zur Einrichtung von Hygiene-Centern und Krankenwohnungen beim Land Niedersachsen zu beantragen?

Antwort:

Sämtliche Mittel, die für die Versorgung von leistungsberechtigten Personen nach dem Achten Kapitel SGB XII aufgewendet werden, werden im sozialräumlichen Budget für die Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII abgebildet. Einen Großteil dieses Budgets trägt das Land Niedersachsen durch Gewährung eines jährlichen Festbetrages, der sich aus der Zuständigkeit des Landes als überörtlicher Sozialhilfeträger ergibt. Sofern im Zuge der Abstimmungen über neue oder erweiterte Angebote das Land die eigene Zuständigkeit teilweise oder vollständig bestätigt, wird die Region Hannover die Berücksichtigung entsprechender Finanzierungsanteile in zukünftigen Festbeträgen beantragen.

 

3. Wie steht die Region Hannover zur Möglichkeit Hygiene Center mit weiteren Kooperationspartnern wie der Deutschen Bahn, der Landeshauptstadt Hannover oder regionsangehörigen Städten und Gemeinden schneller auf den Weg zu bringen?3

3In der Bundeshauptstadt Berlin wurde 2015 direkt neben der Bahnhofmission am Bahnhof Zoo das bundesweit erste Hygiene Center eröffnet. Die Kosten dieser Einrichtung wurden von der Deutschen Bahn übernommen. Der Unterhalt des Hygiene Center am Zoo durch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales übernommen.

Antwort:

Wie eingangs festgestellt, existieren bereits mehrere entsprechende Angebote für Wohnungslose insbesondere im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover auch in zentraler Lage. Es ist eine fachliche Prüfung erforderlich, welche weiteren Angebote für die Zielgruppe sinnvoll sind. Hierzu wird auf die nachfolgende Antwort zu Frage 3. verwiesen.

 

4. Wie steht die Region Hannover zur Überlegung, die leerstehenden Räume der ehemaligen Polizeiwache am Raschplatz zur Einrichtung eines „Hygiene-Center am Raschplatz“ zu nutzen?4

4Im Oktober 2017 wurde der Trinkraum am Raschplatz „Kompass“ eröffnet. Schon nach kurzer Zeit platzt dieser Tagestreff aus allen Nähten. Immer mehr Obdachlose aus Osteuropa halten sich dort auf.

Antwort:

Die Region Hannover prüft derzeit gemeinsam mit der Landeshauptstadt Hannover und dem Diakonischen Werk Hannover die Nutzung der genannten Liegenschaft für die Wohnungslosenhilfe und eine Verbesserung der medizinischen Versorgung auf ihre Realisierbarkeit. Hierzu gehören insbesondere auch die bauliche Eignung, die Möglichkeiten und die Kosten einer Umnutzung der Liegenschaft.

 

5. Wie steht die Region Hannover zur Überlegung, übergangsweise bis zur Einrichtung von stationären Hygiene-Centern in den regionsangehörigen Städten und Kommunen sogenannte Hygienecontainer aufzustellen ?

Antwort:

Die Verwaltung hat sich mit diesem Vorschlag bisher nicht befasst, wird diese Überlegung aber in den Gesprächen mit den weiteren Beteiligten der Wohnungslosenhilfe im Rahmen der Weiterentwicklung des Hilfesystem thematisieren. Zu beachten ist, dass bereits mehrere bewährte Hilfsangebote existieren und die Bedarfe in den einzelnen Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich sind weil nicht überall die gleichen Problemlagen existieren.

 

6. „Zwischen der Region Hannover und dem Land Niedersachsen finden unter Beteiligung des Fachbereichs Soziales der Landeshauptstadt Hannover derzeit Gespräche statt, um eine bessere Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen zu erreichen und ein entsprechendes Projekt zu konzipieren. Das Land hat hier Interesse eine modellhafte Erprobung eines entsprechenden neuen Angebotes („Hygienecenter“) zu unterstützen.“1

A) Wie weit ist die gemeinsame Planung beim Modellprojekt Hygiene Center zwischen Land Niedersachsen, Region Hannover und der Landeshauptstadt Hannover?

Antwort:

Die Arbeitsgruppe „Medizinische Versorgung“ der AG nach § 4 SGB XII  hat beschlossen, dem Land ein Konzept hinsichtlich der medizinischen Versorgung vorzulegen. In diesem werden alle bereits vorhandenen Angebote und deren Zielgruppen mit ihren jeweiligen Bedarfen beschrieben, verknüpft mit  einem Vorschlag, wie diese zukünftig sinnvoll strukturiert, vernetzt und ggf. auszubauen wären.

Ein erster Entwurf für dieses Konzept soll im ersten Halbjahr 2018 erarbeitet werden.

B) Wie sieht die Zeitleiste der Umsetzung bis zur modellhaften Erprobung des Angebotes Hygiene Center aus?

Antwort:

Die Konzeptarbeit ist noch nicht abgeschlossen. Eine Zeitliste für die Umsetzung von Maßnahmen kann es daher noch nicht geben. Gleichwohl findet eine Versorgung in den bestehenden Angeboten in dem oben dargestellten Rahmen bereits heute statt.